Die koreanischen Motels sind sichtbarer Ausdruck eines menschlichen Bedürfnisses, für das die Raumnot des dicht besiedelten Südkorea und die restriktiven gesellschaftlichen Verhältnisse keine andere Lösung finden. Aus den entgegengesetzten Anforderungen der Gewährleistung von Anonymität und von werbewirksamer Sichtbarkeit entsteht eine Gebäudetypologie mit ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten, weit abseits gewöhnlicher architektonischer Kategorien.
Die koreanischen Motels bieten Freiräume für Liebende und für das Zusammensein mit Freunden und sind eine selbstverständliche Institution im Leben vieler junger Koreaner. Andere private Räume sind rar – Wohnraum ist knapp und viele Koreaner wohnen lange bei ihren Eltern. Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit sind wenig üblich.
Voraussetzung für die lustvolle Freiheit dieser Räume ist Anonymität. Sichtschutz an Zufahrten und in den Rezeptionen der Motels ermöglicht es, unerkannt zu kommen und zu gehen. Ihren Daseinszweck verkünden die Motels dagegen unübersehbar im Stadtraum: mit turmartigen, weithin sichtbaren Bauteilen wetteifern die Motels um die Aufmerksamkeit der Gäste. Die Fassaden zitieren klassische europäische Architekturelemente, die mit Romantik assoziiert werden oder kombinieren abstrakte Gestaltungen mit Zitaten aus der Popkultur. Nachts überziehen animierte Leuchtelemente die Fassaden mit sich ständig verändernden Lichtstrukturen und prägen damit bisweilen ganze Bereiche einer Stadt.
Südkorea, 2017 und 2018